Neues Bernaville: Mehr Selbstbestimmung, individuelle Betreuung, grosszügigere Räume

Schwarzenburg, 1. März 2024

Nach gut zweieinhalb Jahren Bauzeit konnte die Stiftung Bernaville in Schwarzenburg am 1. März 2024 die Schlüssel für die neuen Gebäude entgegennehmen. Nun ziehen 74 Bewohner:innen mit kognitiver Beeinträchtigung nach und nach in ihr neues Zuhause, in dem mehr Selbstbestimmung möglich wird. Auch die angepassten Arbeitsplätze für rund 150 Menschen mit Handicap wurden modernisiert.   

«Endlich ist es so weit, hier steht das neue Bernaville, genauso, wie wir uns das vorgestellt haben», sinniert Kurt O. Marti, Präsident der Stiftung, sichtlich berührt, nachdem er das rote Band durchschnitten hat. Die alten Gebäude waren stark baufällig und die Raumverhältnisse genügten gesetzlichen Ansprüchen schon lange nicht mehr. Kurt O. Marti begleitete Pläne für eine Sanierung bereits seit seinem Amtsbeginn vor 18 Jahren. Nachdem verschiedene Sanierungsmöglichkeiten geprüft und aus Kostengründen wieder verworfen wurden, entschied man sich 2012 für einen Neubau. Kurt O. Marti blickt zurück: «Trotz Kosten von 8 Millionen hätte man mit der Sanierung der Gebäude keinen Quadratmeter Platz gewonnen oder die sanitären Anlagen modernisiert. Nur ein Neubau machte Sinn». Anfang September 2021 konnten die Bagger auffahren, nachdem 18 kantonale Stellen dem Baugesuch, den Provisoriums-Lösungen und dem Finanzierungskonzept zustimmten und die Gemeinde eine Zonenplanänderung guthiess.

Deutliche Verbesserung und mehr Selbstbestimmung

Die neuen Zimmer sind im Durchschnitt 14 m2 gross, die Aufenthaltsbereiche wurden ebenfalls markant grösser. Der Raumgewinn gelang durch die zwei- und dreistöckige Bauweise. So erlauben die neuen Wohngebäude nun mehr Selbstbestimmung, wovon jüngere Bewohner:innen besonders profitieren können. Sie beziehen 4.5- und 5.5.-Zimmer-Wohnungen, in denen sie zu dritt oder zu viert als Wohngemeinschaft leben und Wohnzimmer, Küche und Bäder gemeinsam nutzen. Zwei Studios sind für Menschen reserviert, die eine reizarme Umgebung benötigen.

Die Betreuungspersonen begleiten weiterhin, sind aber nicht mehr fix in der Wohnung, sondern können bei Bedarf beigezogen werden. Vermutlich gelingt das nicht von Anfang an, die Bewohner:innen werden in den kommenden Monaten behutsam begleitet, gewisse Haushaltsarbeiten selbständig zu übernehmen und teilweise auch selber zu kochen.

Im Hinblick auf das neue Finanzierungskonzept des Kantons Bern, das in der Stiftung Bernaville 2026 eingeführt wird und individuellere Beiträge verspricht, kommt diese neue Ausgangslage genau zum richtigen Zeitpunkt. Die kleineren Einheiten werden es erlauben, noch gezielter auf die sich verändernden Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen einzugehen.

Auch bei Bewohner:innen der Alters- und Intensivwohngruppen stehen Lebensqualität und Selbstbestimmung im Fokus. Doch sie benötigen in der Regel engere Begleitung und mehr Pflegeleistungen und sind oftmals zusätzlich auch körperlich eingeschränkt. Ihr Alltag ist weniger stark durch Arbeit oder Beschäftigung strukturiert. Die Betreuung ist deshalb tagsüber auch auf der Wohngruppe präsent. Die Wohngruppen mit 4 bis maximal 8 Bewohner:innen und der Betreuung auf der Wohngruppe werden somit beibehalten. Was auch bleibt, sind die rund 22 Plätze in Wohnungen und Studios im Dorf, die das breite Angebot der Stiftung im Wohnbereich komplettieren.

Arbeitsbereich im Untergeschoss

Die vier Werkstätten, zwei Werkateliers und die Handweberei werden im Untergeschoss des Hauptgebäudes gebündelt, das vereinfacht die Abläufe und den Austausch untereinander. Grössere Fensterflächen bringen mehr Tageslicht in die Arbeitsräume. Nach der Sanierung wirken die angepassten Arbeits- und Beschäftigungsplätze für 150 Menschen mit Handicap moderner, heller und geräumiger. Das Kreativatelier bleibt am Langenwilweg 96, die Räumlichkeiten werden sanft saniert. Arbeits- und Wohnbereich sind im Neubau stärker voneinander getrennt, es gibt innerhalb der Gebäude keine direkte Verbindung zu den Arbeitsplätzen.

Teilhabe: Offene Türen im Bernaville

Nachdem alle eingezogen sind und sich die neuen Abläufe eingespielt haben, heisst es im Bernaville wieder «zmitts im Läbe». Das bedeutet, dass Besucher:innen jederzeit herzlich willkommen sind. Neben öffentlichen Festen können auch verschiedene Räumlichkeiten für Privatanlässe, Workshops oder Fitness gemietet werden. Rund ums Bernaville entsteht ein öffentlicher Raum mit Spiel- und Brätliplatz sowie den Tiergehegen. Im Café kann der Spaziergang bei Kaffee und Kuchen im Bernaville ausklingen, der Bernaville-Laden zeigt die Vielfalt der Produkte, die in der Stiftung hergestellt werden. Die Menschen im Bernaville freuen sich auf diese bereichernden Begegnungen.

Zu einem guten Abschluss gebracht

Für die Finanzierung des neuen Bernaville konnten private Investoren aus dem Raum Bern und zwei regionale Banken gewonnen werden. Massgebliche Verbesserungen in Bezug auf Lebensqualität und Barrierefreiheit konnten dank Spenden von Stiftungen, Organisationen, Firmen und Privaten trotz Kosteneinsparungen im Bauprojekt dennoch realisiert werden. Doch nicht alles lief nach Plan im Neubau: Der ursprünglich vorgesehene Bezugstermin im Herbst 2023 verzögerte sich; beim Abbruch der alten Gebäude wurde festgestellt, dass der Asbestanteil weitaus grösser war, als in den Gutachten beurteilt. Dies verlängerte die Gesamtbauzeit und verteuerte den Abbruch markant. Auch musste der Betonsockel, den man aus Nachhaltigkeitsgründen erhalten wollte, umfassender saniert werden als erwartet. Umso grösser ist die Freude im Bernaville, dass die Provisorien, die während zweieinhalb Jahren Wohn- und Arbeitsplatz waren, in den nächsten Wochen der Vergangenheit angehören werden.

Alle Fotos: Mirjam Zurbrügg